Publikationen von Prof. Dr. Jürgen Bommer

Zusammenfassung des Vortrages beim

Heidelberger Nephrologischen Seminars am 26.3.2011

Welche Faktoren bestimmen den Dialyseerfolg?

Was sagt DOPPS dazu?

Juergen Bommer

 

 

In den verschiedenen Ländern werden unterschiedliche Überlebensraten der Hämodialesepatienten berichtet. Das Ziel von DOPPS war und ist es, die Ergebnisse der Dialysebehandlungen, insbesondere Mortalität und Hospitalisation in Abhängigkeit von der Dialysebehandlung und vielen anderen Faktoren zu untersuchen.

Auch wenn DOPPS eine Observationsstudie ist, lassen die umfangreichen Daten über die Patienten, die Zentren und deren Behandlungsformen eingehende Adjustierung der Daten zu, was schließlich relevante Assoziationen zwischen Behandlungsmodalitäten und Behandlungserfolge aufzeigt.


Neben den nicht-variablen Faktoren wie Alter, Geschlecht, Rasse, Dialysejahre, Begleitkrankheiten, sind eine Reihe modifizierbarer Faktoren der Dialysetechnik, wie Gefäßzugang, Kt/V, Dialysedauer, Blutfluss, Ultrafiltrationsrate von Bedeutung für die Dialyseergebnisse Daneben haben sich Assoziationen zwischen Dialyseergebnis und einer Reihe Laborwerte wie Albumin, Serum Phosphat, Serum Kalzium, Hb, Kreatinin oder auch CRP auffinden lassen.

Hinzu kommen noch weitere modifizierbare Faktoren wie, Erhalt der Nierenrestfunktion, interdialytische Gewichtszunahme, Depressionen, Compliance, Hyperkaliämie, Azidose vor Dialyse und Alkalose nach Dialyse, sowie medikamentöse Therapie betreffs Blutdruck, Vitamin D oder kardialer Therapie, usw. das Behandlungsergebnis erheblich beeinflussen.


Es ist nicht möglich, alle Faktoren zu diskutieren, vielmehr sollen die DOPPS Erkenntnisse sowie auch Änderungen der Behandlung Im Verlaufe der Jahre von DOPPS I-III betreffs einiger modifizierbarer Faktoren diskutiert werden. In DOPPS hat sich auch, wie in anderen Analysen gezeigt, dass eine inverse Korrelation zwischen Mortalität und spKt/V über 1,2 nur bei Frauen besteht, während bei Männern ein Kt/V > 1,2 keine signifikante Verbesserung der Überlebensrate gefunden wird. Dennoch ist bemerkenswert, dass im Laufe der Jahre 1999 – 2007 und später, das mittlere Kt/V bei der Behandlung der Patienten in den einzelnen Ländern zugenommen hat.

2007 zeigten die Daten in DOPPS, dass eine längere Dauer der einzelnen Dialysebehandlungen die Überlebensrate von Patienten signifikant verbessert. So war die Überlebensrate bei einer Dialysedauer von 3,5 bis 4 Stunden 36% höher als bei über 4 Stunden. Im Verlaufe von DOPPS I-III (1997-2007), wurde in vielen Ländern die Dialysedauer entsprechend erhöht, insbesondere in Deutschland stieg die Dialysedauer im Mittel von 245 - 250 Minuten auf nahezu 270 Minuten. Auch in anderen Ländern wie Spanien und sogar USA wurde die Dialysedauer verlängert dagegen nicht in Japan was schon in DOPPS I eine lange Dialysedauer hatte.


In allen Kontinenten zeigte sich, dass der Blutfluss invers mit der Mortalität bei den Patienten korrelierte. Daher ist es nicht verwunderlich, dass in vielen Ländern der Blutfluß entsprechend erhöht wurde, so z. B. auch in Deutschland von etwa 270 auf 290 ml/Minute. Die Odds-ratio für ein Kt/V <1,2 fiel steiler ab, wenn der Blutfluss von 250 auf 450 erhöht wurde als wenn die Dialysezeit von 190 Minuten auf 280 Minuten erhöht wurde. Dies legt nahe, dass durch Steigerung des Blutflusses, Kt/V ebenso erhöht werden kann wie durch eine längere Dialysedauer..

Mit einer höheren Ultrafiltrationsrate geht eine erhöhte Mortalität einher. Während bei DOPPS schon bei über 8 ml/h/kg (ca 2,5 kg während 4,5 Stunden Dialyse) eine erhöhte Mortalität gefunden wurde, zeigte Flythe in diesem Jahr den deutlichen Anstieg der Mortalität bei Ultrafiltrationsraten > 10 ml/h/kg.


Die große Bedeutung der Ernährung wurde von DOPPS bestätigt. Der Appetit der Patienten (persönliche Angaben des Patienten) waren positiv mit Serum Albumin, Serum Kreatinin, BMI und nPCR assoziiert. Diese Faktoren sind mit geringerer Mortalität assoziiert.

DOPPS bestätigte, dass die Mortalität bei Dialysepatienten mit perkutanem Katheter an der Dialyse hoch signifikant erhöht ist. Auch nach optimaler Adjustierung fand sich noch eine über 40% höhere Mortalität bei Patienten mit Katheter im Vergleich zu Patienten mit AV-Fisteln. Patienten mit Gefäßprothesen (grafts)hatten eine etwa 15-20%ig höhere Mortalität, als Patienten mit AV-Fisteln.


Neuere Auswertungen zeigten, dass eine Vitamin D Therapie bei chronisch hämodialysierten Patienten mit einer signifikant geringeren Mortalität assoziiert ist (0,78, CI 95%, 0,73-0,84).

Manchen Nephrologen scheint eine Diuretikatherapie bei Dialysepatienten etwas widersinnig. In DOPPS war eine Diuretikatherapie signifikant mit einer geringeren interdialytischen Gewichtszunahme, selteneren Hyperkaliämie-Episoden, aber auch mit selteneren hypotensiven Episoden und sogar mit einer geringeren kardialen Mortalität assoziiert.


In den letzten 10 Jahren stieg nicht nur das mittlere Hb bei Dialysepatienten in den verschiedenen. Ländern, aber auch die mittlere EPO Dosis. Verschiedene randomisierte Studien wie CHOIR, CREATE, TREAT haben gezeigt, dass Hb-Werte über 13 g% vermehrt mit Komplikationen wie Schlaganfall und thromboembolischen Komplikationen u.ä. einhergehen. Hingegen fand sich in DOPPS keineAssoziation zwischen erhöhter Mortalität und höherem Hb (im Mittel >13g%), wenn diese Werte nicht durch exogene EPO Therapie erzielt wurden, sondern ohne EPO Behandlung spontan aufgetreten waren.

In Dopps war die Effektivität von ESA (erythropoetin stimulating agents) stark von der Höhe des CRP Spiegels abhängig: hohes CRPs war mit ausgeprägt geringerer EPO Effektivität assoziiert. Die Assoziation mit CRP war stärker ausgeprägt als die Assoziation mit der Sättigung der Eisenbindungskapazität, Ferritin oder Albumin,.


In vielen Analysen wird der Effekt einzelner Faktoren auf die Mortalität berichtet. DOPPS erlaubt aber auch einen Vergleich wie stark die einzelnen Faktoren die Mortalität beeinflussen. So ist in Deutschland ein Kt/V von <1,2 mit einer 13% höheren Mortalität assoziiert. Einen ähnlichen Effekt weist ein Phosphat von über 1,8 mmol oder Kalzium über 2,4 mmol auf. Albuminkonzentration < 40g/L steigert die Mortalität um 46%.

Wie weit in Zukunft ökonomische Gesichtspunkte Einfluss auf die Behandlung unserer Patienten nehmen werden, ist derzeit noch unklar, aber möglicherweise von großem Interesse. In verschiedenen Ländern wird diskutiert, Behandlung mit Medikamenten (EPO, Eisen, Phosphatbinder usw.) in die Dialysesachkosten einzubeziehen. In Japan führte das Einbeziehen der EPO Kosten in die Behandlungskosten zu einer Abnahme der EPO Dosis um 12%, aber Steigerung der Eisentherapie bei konstantem mittleren Hb.





 

 


Langzeittherapie mit Jürgen BommerSevelamer

 

Prof. Dr. Jürgen Bommer



 

Zusammenfassung

Im letzten Jahrzehnt wurde erkannt, dass bei der Entstehung der Gefäßwandverkalkungen und Mortalität bei Dialysepatienten weniger die üblichen bekannten Risikofaktoren wie Rauchen, Hochdruck oder Dyslipidämie sondern vielmehr die Mineralstoff-wechselstörungen eine entscheidende Rolle spielen.

 

In diesem Zusammenhang sind neben Phosphatstoff-wechselstörungen auch die Änderungen des Kalziumstoffwechsels und vor allen die Kalzium – Load von großer Bedeutung. Letzterer wird nur unvollständig durch die Serumkalziumspiegel reflektiert. Auch eine erhebliche Kalziumzufuhr in Form von kalziumhaltigen Phosphatbindern oder Dialysatkalzium führt zu nur geringem oder nur kurzfristigen Anstieg der Serumkalziumspiegel. Jedoch führten Behandlungen mit kalziumhaltigen Phosphatbindern in der 2-jährigen TTG Studie im Vergleich zu Sevelamer aber zu kontinuierlich progredienten erheblichen Gefäßwandverkalkungen bei Hämodialysepatienten. Das Risiko der erhöhten Kalziumzufuhr wird durch die fehlende renale Ausscheidung beim anurischen Dialysepatient und oft positive Kalziumbilanz im Rahmen der Dialyse erhöht.

Neuere Langzeituntersuchungen zeigten auch eine erhöhte Mortalität der Hämodialysepatienten bei Therapie mit kalziumhaltigen Phosphatbindern, im Vergleich zum dem kalziumfreien Phosphatbinder Sevelamer. Dabei scheint der Unterschied besonders bei langer Therapiedauer und insbesondere bei älteren Patienten ausgeprägt zu sein.

 
EinIeitung

In früheren Jahrzehnten wurde vom Knochen und Mineralstoffwechsel gesprochen. Man nahm an, dass der Mineralstoffwechsel vor allem den Knochen betraf. Im letzten Jahrzehnt wurde jedoch erkannt, dass der Mineralstoffwechsel nicht nur für den Knochen bedeutsam sind, sondern bei Patienten mit fortgeschrittener oder terminaler Niereninsuffizienz eine grße Rolle bei der Entstsehung und Progression extraossärer Verkalkungen wie Gefäßverkalkungen und Herzklappenverkalkungen hat. Besonders die Gefäßverkalkung wird beim Dialysepatienten in Form der Mediasklerose entscheidend durch Kalziumphosphatstoffwechselstörungen beeinflußt. [Cozzolino 2005] und trägt wesentlich zur erhöhten Mortalität von Langzeitdialysepatienten bei. So fand Blacher und Mitarbeiter einen signifikanten Zusammenhang zwischen dem Ausmaß der Gefäßverkalkung und der Mortalität bei Hämodialysepatienten. [Blacher 2001]

Um einer Hyperphosphatämie entgegen zu wirken wurden im Laufe der Jahre verschiedene Phosphatbinder empfohlen. Die anfangs benutzten aluminiumhaltigen Phosphatbinder zeigten jedoch bei einer chronischen Therapie eine Reihe wichtiger Risiken wie Verschlechterung der Anämie Knochenmineralisationsstörung und neurologische Störungen bis hin zu Demenz und Tod. Daher wurde in den 70er Jahren Calciumcarbonat und Calciumacetat als Phosphatbinder empfohlen. Neuere Aspekte geben aber Anlass diese Therapie erneut zu überdenken. Im Folgenden soll die derzeitige Bedeutung einer Langzeittherapie mit kalziumhaltigen und kalziumfreien Phosphatbindern diskutiert werden.

 
I. Kalzium und Phosphat Bilanz:

Im Körper wird das Kalzium von insgesamt ca 1000 g in verschiedenen Pools verteilt. So befinden sich 99% (~990g) des Kalziums im Knochen, ca 0,9 % (~9 g) im Intrazellularraum, ca 0,075 % (~ 0,75 g) im Extrazellularraum und nur 0,025% (0,25 g) intravasal. Das täglich intestinal aufgenommene Kalzium in Größenordnungen von 100-300 mg/die kann nicht in den begrenzten Verteilungsraum des Extrazellularvolumens und Intravascularvolumens längere Zeit verteilt werden, da diese beiden Compartments nur insgesamt ca. 1 g Kalzium enthalten. Selbst relativ geringe Mengen von ca 100 mg Ca pro Tag können nicht über längere Zeit kummulativ im Serum oder ECV gespeichert werden. Vielmehr führt das intestinal aufgenommene Kalziummenge nach Mahlzeiten zu einen mehr oder weniger ausgeprägten Anstieg des Serumcalcium um 0,2-,5 mg/dl, der aber bald wieder zurückgeht. (Graziani 2002) Das bedeutet dass zugeführtes Ca rasch in das große Kalzium Compartments des Knochens deponiert werden müssen. Von dort kann bedarfsweise ein Kalziumbedarf des Organismus akut und chronisch gedeckt werden oder gar beim Hyperparathyreoidismus langfristig große Mengen Kalzium und Phosphat mobilisiert werden. Wenn das Skelett jedoch mit Ca abgesättigt ist, kann überflüssiges Kalzium bei ausreichender Nierenfunktion im Urin ausgeschieden werden.

Parallel zur Kalziumresorption wird auch Phosphat aus der Nahrung intestinal aufgenommen. Da die extraossären rasch austauschbaren Phosphatpools wesentlich größer sind als die für Calcium wurde nach dem Essen kein Anstieg der Serumphosphatkonzentrationen beschrieben (Graziani 2002). Aber das größte Reservoir für Phosphor ist wie für Calcium der Knochen. Überschüssiges Phosphat kann im Urin ausgeschieden werden.

Diese Kalziumphosphatbilanzen ändern sich jedoch grundlegend bei anurischen chronischen Hämodialysepatienten. Bei Hämodialysepatienten kommt es zu einer Phosphatbeladung durch die diätetische Phosphatzufuhr. Die intestiale Phosphataufnahme kann dabei durch eine Vitamin D Therapie verstärkt werden. Dem gegenüber kann die Phosphataufnahme im Darm durch geeignete Phosphatbindertherapie reduziert werden. Eine, wenn auch nicht optimale und ausreichende, Phosphatentfernung erfolgt schließlich über das Dialysat während der Dialyse. Daraus resultiert beim Hämodialysepatienten eine mehr oder minder ausgeprägte chronische Hyperphosphatämie, da die bei Nierengesunden vorhandene zusätzliche Phosphatausscheidung im Urin bei den anurischen Dialysepatienten nicht mehr vorhanden ist.

Kalziumbilanz beim Dialysepatienten unterscheidet sich erheblich von der Phosphatbilanz. Wie bei Phosphor kommt es durch die diätetische Kalziumzufuhr zu einer Kalziumbeladung, die durch eine gleichzeitige Behandlung mit Vitamin D oder Vitamin D Analoga mehr oder weniger gesteigert wird. Während Ca-haltige Phosphatbinder die intestinale Phosphataufnahme vermindern erhöhen diese Medikationen die intestinale Zufuhr von Ca, was zu einer erhöhten Ca Aufnahme im Darm führt. im Gegensatz zu Phosphat wird Calcium während der Dialyse in der Regel nicht oder nur bei sehr niedrigen Calcium im Dialysat entfernt. Häufig kommt es bei hohem Dialysatkalzium zu einer zusätzlichen Kalziumbeladung während der Dialyse. Wieweit wie Phosphat, auch Kalzium in geringen Mengen im Schweiß oder gastrointestinalen Sekreten ausgeschieden werden können ist unklar. Jedoch die beim Nierengesunden entscheidende Kalziumexkretion im Urin ist bei anurischen Dialysepatienten nicht mehr gegeben. Daraus darf geschlossen werden, dass eine chronische Kalziumbeladung bei anurischen Hämodialysepatienten ohne entsprechende Ausscheidung des Kalziums zu einem zunehmenden Anstieg des Ganzkörperkalziums führt.

Es ist nahe liegend dass eine anhaltende positive Kalziumbilanz zur progrediente Arteriosklerose in Form der Mediasklerose, und zur vermehrten Entstehung von Herzklappenverkalkungen anderen extraossären Verkalkungen einschließlich Kalziphylaxie bei Dialysepatienten beiträgt, wenn der Knochen keine weiteren Mengen Calcium aufnehmen kann. Selbstverständlich fördert auch der Phosphatstau der sich in den erhöhten Serumphosphatspiegeln widerspiegelt, diese pathologischen Verkalkungen. Dementsprechend fand sich eine Korrelation zwischen den Calcium-Phosphat-Produkt und der Intensität der Arteriosklerose bei Dialysepatienten. [Bommer 1996,Goodman 2000 ].

 
II. Arteriosklerose infolge erhöhter Kalziumload:

Die chronische Therapie mit aluminiumhaltigen Phosphatbindern kann zu einer langsam zunehmenden Aluminiumbeladung der Patienten und erheblichen klinischen Komplikationen führen auftraten, insbesondere wenn Aluminium während der Dialyse nicht entfernt wird sondern vielmehr über das Dialysat eine Aluminiumbeladung erfolgt. Daher wurden in den 70er Jahren wenn irgendwie möglich, kalziumhaltige Phosphatbinder verordnet, um die Aufnahme des evtl. toxischen Aluminiums zu vermeiden. Die mögliche Aufnahme des physiologischen Kalziumions erweckte keine Bedenken, sondern wurde eher begrüßt.

In den letzten 10 Jahren häuften sich die Hinweise, dass eine zunehmende Kalziumbeladung erhebliche Risiken mit sich bringen kann. So berichtete im Jahr 2000, Goodman, eine pathologische, ausgedehnte Arteriosklerose bei jugendlichen Dialysepatienten im Alter von 20-30 Jahren [Goodman 2000,]. In dieser Studie waren die Patienten mit Arteriosklerose signifikant älter (P<0,001) als Patienten ohne Arteriosklerose. Die Patienten mit Arteriosklerose waren weiterhin länger mit der Dialyse behandelt worden (P<0,001). Bemerkenswert war dass die mittleren Serumphosphatspiegel nicht signifikant höher bei den Patienten mit Arteriosklerose waren. Aber das Kalziumphosphatprodukt war bei den Patienten mit Arteriosklerose das signifikant höher (P=0,04) und vor allem die Gesamtmenge der eingenommenen kalziumhaltigen Phosphatbinder war nahezu doppelt so hoch bei den Patienten mit Arteriosklerose im Vergleich zu den Patienten ohne Arteriosklerose (P<0,02).

Diese Beobachtung wurde durch die Treat to Goal Studie mit Sevelamer bestätigt. [Chertow 2002] In der internationalen multicenter Studie wurden Patienten nach einer 2-wöchigen wash-out Periode ohne Phosphatbindertherapie randomisiert, entweder mit Sevelamer oder mit kalziumhaltigen Phosphatbindern, d. h. Kalziumcarbonat oder Kalziumazetat behandelt. Wie in Abbildung 1 dargestellt, konnte unter der Behandlung mit Sevelamer und kalziumhaltigen Phosphatbindern ein vergleichbarer Serumphosphatspiegel erzielt werden. Die Behandlung mit kalziumhaltigen Phosphatbindern führte zu einem leichten, wenngleich signifikanten Anstieg der Serumkalziumspiegel im Verlaufe der Studie. Dementsprechend waren auch die Kalziumphosphatprodukte bei den Patienten unter kalziumhaltiger Phosphatbindertherapie leicht höher als in der Sevelamergruppe. Bemerkenswert ist dass parallel zu dem nicht eindrucksvollen aber signifikanten Anstieg des Serum Calciums das iPTH unter der Behandlung mit Kalzium-haltigen Phosphatbindern abfiel.

Die Studie deren Einjahresdaten von Chertow berichtet wurden wurde in Europa für ein weiteres Jahr fortgesetzt [Braun]. Im 2. Jahr entsprach die Therapie den Alltagsbedingungen in den Dialysezentren, d. h. es waren keine strengen Kontrollen in Form von Pillcount, usw. mehr durchgeführt worden, so dass Schwankungen der Compliance, voll zur Geltung kamen. Auch im Verlaufe des 2. Jahres nahmen die Koronarverkalkung, (Abb 2) wie auch Verkalkung im Bereich der Aorta (Abb3) bei Patienten mit kalziumhaltigen Phosphatbindertherapie unverändert progredient zu. Im Gegensatz dazu blieb die Arteriosklerose im Bereich der Aorta bei Sevelamer behandelten Patienten über die 2 Jahre konstant und nahm im Bereich der Koronarien nur leicht nicht signifikant im 2. Jahr der Behandlung zu. Neben der Kontinuität war besonders auch das Ausmaß der Progression der Arteriosklerose in der Studie bemerkenswert. So lag der Median der relativen Änderung des Kalzifikationsscores in den Koronarien nach 2 Jahren bei 80% des Ausgangswertes bei den Patienten die zu Beginn der Studie Verkalkungen, mit einem Agatson Score von über 30 aufwiesen, d.h. in den Koronarien kam es im Verlaufe von 2 Jahren fast zu einer Verdopplung der Kalzifikationen. Gleichzeitig stieg bei diesen Patienten in der Aorta der Median der relativen Änderung des Kalzifikationsscores um ca. 60% an.

 
III. Phosphatbindertherapie und Mortalität :

Schon 2001 wurde eine Korrelation zwischen dem Ausmaß der Arteriosklerose und der Mortalität bei Dialysepatienten. Je ausgedehnter die Arteriosklerose den Dialysepatienten war, umso höher war die Mortalität. [Blacher 2001]. Daneben haben verschiedene Studien gezeigt, dass eine Korrelation zwischen Höhe der Serumphosphatspiegel oder Höhe der Serumkalziumspiegel und der Mortalität besteht [Block 2004, Young KI 2005,]. Besonders die kardiovaskuläre Mortalität steigt mit zunehmender Serumkalzium oder Serumphosphatkonzentration, während niedrige Serumkalziumkonzentrationen mit einer geringeren kardiovaskulären Mortalität einhergehen (Young 2005). Da eine hohe Serumphosphat - und Serumkalziumkonzentration wie auch erhöhtes Kalziumphosphatprodukt im Serum mit einer erhöhten Mortalität assoziiert sind, und gleichzeitig ein erhöhtes Kalziumphosphatprodukt und Kalziumload mit der vermehrten Arteriosklerose assoziiert sind [Bommer 1996, Goodman 2000], wurde in einer Multicenter-Studie, der Effekt einer reduzierten Kalziumload durch Calciumfreie Phosphatbinder auf die Mortalität der Patienten untersucht.

In dieser großen Mulitcenter-Studie in den USA wurden über 2000 Patienten, 1:1 randomisiert, mit kalziumhaltigen- oder kalziumfreien Phosphatbindern (Sevelamer) behandelt. [Pressemitteilung Juli 2005, Suki 2006] In der auf 3 Jahre angesetzten Intention to treat – Studie, wurden die Patienten den jeweiligen Gruppen zugeteilt und alle Patienten unabhängig von ihrer Behandlungsdauer ausgewertet. Primärer Endpukt der Studie war die Mortalität der Patienten. Die Mortalität war bei den kalziumbehandelten Patienten nur 9% höher, als bei Patienten, die mit nichtkalziumhaltigen Phosphatbindern behandelt wurden. Somit fand sich kein signifikanter Unterschied im primären Endpunkt der Studie. In Subanalysen fanden sich jedoch teilweise hochsignifikante Unterschiede zwischen der Kalziumgruppe und der Sevelamergruppe. So war bei Patienten mit einem Alter von über 65 Jahren, die Mortalität in der Sevelamergruppe um 22% signifikant reduziert (P=0,03). Im Gegensatz zur Intention to treat Analyse, die die Behandlungsdauer des einzenlnen Patienten nicht berücksichtigte, wurde in einer weiteren Subanalyse der Effekt der Sevelamerbehandlung bei Patienten untersucht, die mind. 2 Jahre in der Studie therapiert wurden. Bei Patienten mit einer mehr als 2-jährigen Therapie fand sich ein Rückgang der Mortalität um 34% in der Sevelamergruppe, verglichen zur Kalziumgruppe (P=0,02). Wurden Patienten, die über 65 Jahre alt waren und mindestens 2 Jahre behandelt wurden verglichen, ergab sich eine Reduktion der Mortalität um 54% in der Sevelamergruppe (P<0,001).

Die Interpretation dieser Studie sollte einige Aspekte berücksichtigen.

1. In den TTG Studien sowohl in den USA, wie auch in Europa war aufgefallen, dass die Progression der Arteriosklerose fast ausschließlich bei Patienten zu beobachten war, die schon zu Beginn eine signifikante Arteriosklerose aufwiesen. [ Chertow 2002] Während der 1 oder auch 2-jährigen Studie manifestierte sich nur bei ganz wenige Patienten, die zu Beginn der Studie keine Arteriosklerose hatten, einer Arteriosklerose in Aorta und Koronarien neu. Daher wurde auch in Abbildung 1 und 2 die Progression bei den Patienten untersucht, die schon zu Beginn der Studie eine eindeutige Arteriosklerose mit einem Verkalkungs-Score von >30 aufwiesen.

2. Erfahrungsgemäß finden sich präexistente Arteriosklerosen bei jungen Patienten seltener als bei älteren Patienten, Daher ist es naheliegend, dass der Benefit der Sevelamerbehandlung vor allem bei den älteren Patienten erkennbar ist.

3. Es ist nicht auszuschließen, dass bei einem Altersstreubereich von 18-72 Jahren in dieser Studie, eine Großzahl junger Patienten eingeschlossen waren, die zu Beginn der Studie keine, oder sehr geringe Arteriosklerose aufwiesen und daher entsprechend den Beobachtungen in der TTG Studie keine Progredienz der Arteriosklerose erfuhren. Solche Patienten, die nicht für die Evaluierung eines Therapieeffektes geeignet waren, haben dann das Ergebnis bezüglich des primären Endpunktes bei allen Patienten verwässert.

4. In der TTG Studie (s. Abb. 2 und 3) kam es bei den Patienten, die mit kalziumhaltigen Phosphatbindern behandelt wurden, im Gegensatz zu den Patienten, die Sevelamerbehandlung erfuhren zu einer progredienten Arteriosklerose im Verlaufe der 1-2 Jahre, d. h., der Effekt von Sevelamer und Kalziumcarbonatbehandlung war von der Dauer der Behandlung abhängig.(Assmus 2005) In der Intention to treat Analyse wurde jedoch die Dauer der Behandlung nicht berücksichtigt. Dementsprechend zeigte im Gegensatz zur Intention to treat Analyse die Subanalyse der Patienten, die mindestens 2 Jahre behandelt worden sind, einen signifikanten Vorteil der Sevelamer Behandlung gegenüber kalziumhaltigen Phosphatbindern.

5. Eine Analyse der Patienten, die mindestens 2 Jahre behandelt worden sind, ist angebracht, da die unterschiedliche Phosphatbindertherapie einen unterschiedlichen Effekt auf die Arteriosklerose hat, der dann später die Mortalität beeinflußt. Nach Berichten der Gruppe von London, kommt es durch die zunehmende Arteriosklerose zu einer Abnahme der Elastizität der großen Gefäße. (London) Diese zunehmende Steifheit der verkalkten Gefäßwand führt auf die Dauer zu einer vermehrten myocardialen Belastung, Zunahme der Blutdruckamplitude und mehr kardiovaskulären Komplikationen, einschl. Mortalität. (London 2003) Dies bedeutet, dass erst nach längerer Behandlung mit unterschiedlichen Phosphatbindern die Folgeerscheinung einer unterschiedlichen Mortalität analysiert werden sollte. Dementsprechend war auch der Behandlungserfolg von Sevelamer bei den alten, d. h. Risikopatienten (>65 Jahre) nach einem längeren Behandlungszeitraum (>2 Jahre) offensichtlich geworden. In guter Übereinstimmung damit, fanden Block und Mitarbeiterin in einer neuerlichen kleineren Studie auch eine signifikant niedrigere Mortalität nach 3-jähriger Behandlung mit Sevelamer, im Vergleich zu kalziumhaltigen Phosphatbindern behandelten Patienten. (Block 2007)

 

 

KURZFASSUNG DER ERGEBNISSE:
Bei der Behandlung der Mineralstoffwechselstörungen der CKD Patienten muß nicht nur renale Phosphatausscheidung sondern auch die Kalziumausscheidung berücksichtigt werden. Die Bedeutung der Kalziumausscheidung nimmt dabei mit zunehmender Niereninsuffizienz zu. Demzufolge sind in der Regel bei Hämodialysepatienten eine Kalziumzufuhr in Form von kalziumhaltigen Phosphatbindern unbedingt zu vermeiden.

Lit. in Nieren- und Hochdruckkrankheiten 2007



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